PERRY-RHODAN-Kommentar 2002


Die Milchstraße 1303 NGZ


Wenn wir die Entwicklung in der Milchstraße betrachten, zeigt sich, daß die Völker ganz schön gebeutelt wurden.

Aus der Zeit des arkonidischen Großen Imperiums, die immerhin rund 20.000 Jahre von der Gründung bis zur Ausschaltung des Robotregenten umfaßte, sind eigentlich »nur« zwei großräumig umfassende Ereignisse bekannt – nämlich die galaxisweiten Hyperstürme, die zu den Archaischen Perioden führten, sowie die fortgesetzte Abfolge über Jahrtausende hinweg von heißen und kalten Kriegsphasen des Methankriegs.

Für dessen Länge gibt es, nebenbei bemerkt, sogar auf der Erde einen vergleichbaren Vorgang gibt – gemeint ist die spanische Reconquista, die, trotz ihrer Bindung an planetarische Maßstäbe, dennoch rund siebenhundert Jahre beanspruchte. Übertragen auf die Ausdehnung der Milchstraße, wo in Lichtjahrtausenden gerechnet wird, und unter Berücksichtigung der Extremvermehrung vor allem der Maahks braucht die Zeitspanne von Atlans Jugendzeit bis in die von Epetran, aus der letzte Rückzugsgefechte überliefert sind, nicht zu verwundern.

Im Gegensatz dazu ist die Liste galaxisweiter Einflüsse und Rückschläge in der Geschichte der letzten rund 2000 Jahre deutlich umfangreicher: Die Nachwirkungen der Verdummung durch den Schwarm dauerten noch an, als die Larenherrschaft begann, und die vergleichsweise »ruhige« Zeit der Kosmischen Hanse (in die die Aktivierung der Chronofossilien ebenso fiel wie der Angriff des Dekalogs der Elemente) endete abrupt mit dem Transit Hangays und dem »Dichtmachen« DORIFERS. Blitzer und Hundertjähriger Krieg gingen über in die »Dunklen Jahrhunderte« der Monos-Herrschaft, deren Nachwirkungen keinesfalls überwunden sind.

Mehr als 150 Jahre sind seither vergangen, von einem Wiederherstellen jener Zustände, wie sie davor herrschten, oder gar einer Weiterentwicklung kann jedoch in weiten Bereichen keineswegs die Rede sein. Staaten und Großmächte wie die der Menschen, Arkoniden und vieler Bluesvölker mögen erfolgreicher als andere gewesen sein, und wie die Entwicklung im Kristallimperium zeigt, konnte in einigen Fällen sogar ein Einfluß gewonnen werden, der den der Zeit der Kosmischen Hanse oder früherer Jahrhunderte deutlich übertrifft.

Tatsache ist allerdings auch, daß das Gros der Welten – von Ausnahmen abgesehen – eher hinterherhinkt und weiterhin mit Monos-Nachwirkungen der verschiedensten Art zu kämpfen hat. Sie reichen von Wirtschaftsproblemen über verwüstete Welten, fürchterlich dezimierte und verstreute Völker bis hin zu Problemen sozialer, technologischer oder wie auch immer gearteter Natur. Andere wiederum konnten relativ unbeschadet aus den »Dunklen Jahrhunderten« hervorgehen, Völker beispielsweise, die in früherer Zeit nie eine tragende Rolle auf der galaktopolitischen Bühne spielten, fortan jedoch mehr ins Rampenlicht treten und von denen wir in naher Zukunft noch hören könnten.

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts NGZ, einer Zeit, die eigentlich davon geprägt sein sollte, die Koalition Thoregon mit Leben zu erfüllen, verschärfen sich die innergalaktischen Probleme. Hauptbrennpunkt hierbei ist das ungehemmte Machtstreben und expansionistische Gebaren des Kristallimperiums mit Imperator Bostich I. an seiner Spitze. Das Konfliktpotential zeichnete sich zwar schon seit Jahrzehnten ab, doch erst mit Theta von Arigas Nachfolger und dessen eigentlicher Machtübernahme nach einer Zeit des »Marionettendaseins« offenbarte die tatsächliche Gewichtung der Kräfte.

Daß in der Endphase in vergleichsweise sehr kurzer Zeit, nicht zuletzt als Reaktion auf die Ereignisse rings um Tolkander und Goedda, eine extrem forcierte Aufrüstung vor allem bei den Kristallimperialisten einsetzte, mit für manchen Beobachter verblüffend schnellen Ergebnissen, sollte hierbei weniger verwundern. Denn den Grundstein für den beschleunigten Wiederaufstieg der Arkoniden in der Post-Monos-Zeit legte schon Atlan – es sei nur an die Technik seiner ATLANTIS erinnert, an das Imperiale Territorialschutz-Kommando (ITK) oder die Gruppe Arkonidischer Forscher für Innovation und Fortschritt (GAFIF), in der viele bereits um 1200 NGZ eine neue USO sahen und die sich (Atlan wörtlich): »... vornehmlich mit technischer Neuerung befaßt. Dazu zählt natürlich auch die Entwicklung neuer Offensiv- und Defensivwaffensysteme!«

Weiterhin läßt sich trefflich darüber streiten, ob der Unsterbliche nicht doch – allen inneren wie äußeren Widerständen zum Trotz – die ihm seinerzeit angetragene Imperatorenwürde und -bürde hätte annehmen sollen. Mit ihm als Imperator an der Spitze wären jedenfalls Entwicklungen, wie sie nun mit dem Gos’Tussan verbunden sind, ganz bestimmt nicht eingetreten. Auch in anderer Hinsicht könnte der Ex-Imperator einer Fehleinschätung aufgesessen sein, nämlich als er am 1. Mai 1290 NGZ unter anderem zu den Ambitionen der Arkoniden sagte: »Sie wissen, daß mit einem galaxisweiten Krieg nichts zu gewinnen ist. Der heutige technische Standard ... bringt ihnen keine Vorteile. Sie würden sich in einer endlosen Materialschlacht aufreiben, zermürben und letztendlich unterliegen ... Anstatt Macht zu erhalten, würde Arkon allmählich ausbluten.«

Ketzerisch gefragt: Wer sagt eigentlich, daß Imperator Bostich I. nicht genau dieses Risiko eingeht? Wenn es um (mitunter kurzfristige) Durchsetzung von Machtansprüchen geht, häufig sogar verknüpft mit extremem persönlichen Ehrgeiz, ist es mit sachlicher Logik und »Güterabwägung« nicht unbedingt weit her – die terranische Geschichte des 20. Jahrhunderts kann da mit seinen beiden Weltkriegen überaus abschreckendes Beispiel sein.

Weil es nichts bringt, verpaßten Gelegenheiten nachzuweinen, heißt es nun, sich dem Gegebenen zu stellen, und dieses läuft offensichtlich immer mehr auf eine fürchterliche Konfrontation hinaus ...


Rainer Castor