PERRY-RHODAN-Kommentar 2055


GALAKTISCHES RECHT?


Gibt es ein Galaktisches Recht? Oder um vorsichtiger zu fragen: Kann es so etwas wie Galaktisches Recht geben? Grundsätzlich schon, zumal es ja Zeiten gab, in denen die dazu nötigen und damit verbundenen »gesamtgalaktischen Strukturen« etabliert waren (siehe PR-Kommentar 2052). Abgesehen von der Frage nach dem Inhalt und wie detailliert dieser angesichts Hunderter und Tausender verschiedener Völker sein kann oder darf, stellt sich automatisch die nach dem Geltungsbereich und auch nach der Möglichkeit, Galaktisches Recht durchzusetzen, sowie einer Ahndung bei Nichtbeachtung und Übertritt.

Selbst wenn wir voraussetzen, daß es in der Zeit von Galaktischer Allianz, GAVÖK und erstem Galaktikum zur Ausformulierung einer entsprechenden »Charta« kam, daß es einen »Galaktischen Gerichtshof« gab, so sagt das leider herzlich wenig über deren jetzige Bedeutung aus. Und noch viel weniger über die Durchsetzungsmöglichkeiten, denn so etwas wie ein »gesamtgalaktisches Gewaltmonopol« und einer nur in diesem Sinne agierenden Macht gibt es – leider? – nicht.

Hierbei spielt auch die wahre Größenordnung mit: In einer Galaxis mit mehr als 200 Milliarden Sonnen und ungezählten Planeten, die nur zu einem kleinen Teil erforscht und bekannt sind, stellt die Gründung eines eigenen Staates oder einer vergleichbaren Organisation das geringste Problem dar. Das passende Fähnchen auf einem unbewohnten Planeten zu hissen, ist nun wirklich keine Kunst. Intern werden sich die daran Beteiligten zweifellos sogar einigen können. Aber schon die Anerkennung durch andere, mehr noch die des damit verbunden Rechts, ist eine ganz andere Frage.

Bestes Beispiel hierfür ist die Neue USO: Im eigenen Verständnis mag sie noch so hehre Ziele verfolgen, sich sogar auf die seinerzeit anerkannte Charta der alten USO beziehen und in diesem Rahmen handeln – ohne die Anerkennung durch die Völker und Staaten in der Galaxis bleibt es ein Etwas, das im rechtsfreien Raum agiert, nicht legitimiert ist oder gar, je nach Sichtweise, als Verbrecher- und Terrororganisation betrachtet wird. Kein Wunder, wenn manche Monkeys USO mit den Galactic Guardians vergleichen ...

Aber auch die zwischenstaatlichen Beziehungen haben es in sich: Mit der Liga Freier Terraner und dem Kristallimperium (nun »Göttliches Imperium«) stehen sich beispielsweise zwei souveräne Großmächte gegenüber, jede mit eigenem Recht und Gesetz, das intern anerkannt und legitimiert sein mag, aber von dem einen ebenso wenig auf den anderen übertragbar ist, wie es eine gegenseitige Anerkennung oder auch nur Akzeptanz geben muß.

Was bedeutet das eigentlich – Recht? Im objektiven Sinne bezieht es sich auf die Gesamtheit staatlich institutionalisierter Regeln, die, wie es in der Brockhaus-Enzyklopädie heißt, »zueinander in einer gestuften Ordnung stehen und menschliches Verhalten anleiten oder beeinflussen«. Hieraus folgt dann für das Recht im subjektiven Sinne der Anspruch, der für einen Berechtigten aus dem objektiven Recht erwächst. Das Recht als solches steht überdies wie der Staat unter einem permanenten Legitimationszwang, den zu erfüllen zum einem durch seine Entstehung beziehungsweise Bekräftigung, zum anderen durch eine sach- und interessengerechte Problembewältigung versucht wird.

Im Unterschied zu anderen Normen – wie Moral, Sitte und Brauch – ist das Recht durch die staatliche Institutionalisierung und seine Durchsetzung mittels bestimmter Entscheidungs-, Änderungs- und Anerkennungsregeln gekennzeichnet. Bereits umstritten ist, ob es inhaltlich frei gesetzt werden kann, rationalen Bedingungen der Konsensbildung in einer Gesellschaft unterliegt, auf höchste Werte wie Gerechtigkeit und Rechtssicherheit hin orientiert sein muß oder in höheren Gegebenheiten wie göttlichem Gebot oder »reiner Vernunft« fundiert.

Rechtsquellen sind neben der förmlichen Rechtssetzung durch Verfassung, Gesetze und Verordnungen das Gewohnheitsrecht und das Richterrecht. Unterschieden wird nach dem Gegenstand der rechtlichen Regelung in Zivilrecht als Verhältnis der Bürger und privatrechtlichen Gesellschaften zueinander, dem öffentlichen Recht als das Verhältnis zwischen Bürger und Staat sowie dem Strafrecht als die Ahndung sozialschädlicher, krimineller Handlungen. Hinzu kommen noch die bi- und multilateralen Dinge, »Menschen«recht, Völkerrecht und so weiter.

Rechtsphilosophisch spielen hier zentrale Probleme wie die Frage, wie Normen begründet werden können, hinein – sei es durch göttliche Gebote, Naturgesetze oder überempirische Werte und Prinzipien, durch die Vernunft, Nutzenerwägungen, menschliche Interessen und fiktive oder reale Vereinbarungen und Verträge. Warum und wann soll der einzelne bestimmten Verhaltensanforderungen des Rechts folgen? Wie sieht die Wirksamkeit aus? Welche Sanktionen gibt es bei Übertretung oder Normverletzung? Was ist mit der Gerechtigkeit – bezogen auf Stand, Leistung, Chance, Verdienst, Bedürfnis, Interesse, Gleichheit?

Rechtsprechung ist vor diesem Hintergrund der aufgabenbezogene Teil der Staatstätigkeit und bezieht sich – im Unterschied zur Gesetzgebung als Rechtsetzung – auf die verbindliche Entscheidung im Einzelfall durch einen unbeteiligten Dritten, dem Gericht. Schon in der griechischen Staatsphilosophie spielte der Gedanke, daß besser die Gesetze als die Willkür einzelner Personen herrschen sollten, eine wichtige Rolle. Oder wie Aristoteles es in der »Politik« formulierte: »Wo nicht die Gesetze (nomoi) regieren, da ist auch keine Verfassung (politeia).«

Wenn wir nun versuchen, all dies auf die Galaxis und die hier lebenden Völker zu übertragen, die sich nicht nur hinsichtlich der Umweltbedingungen, ihrem Metabolismus, ihrer Mentalität und der Weltsicht insgesamt gravierend unterscheiden, wird die Frage nach einem »Galaktischen Recht« im höchsten Maß problematisch ...

Rainer Castor