Es mag uns zwar nicht gefallen, aber die Gesetze der Natur sind häufig von unbarmherziger Brutalität. Im Vordergrund steht im allgemeinen das Weiterleben der Art und nicht das des Individuums, und der berühmt-berüchtigte Ausspruch vom »Fressen und Gefressenwerden« ist ständig und überall zu beobachten. Leider aber war und ist es den sich selbst als intelligent einschätzenden Lebensformen vorbehalten, dem in Form von Krieg eine völlig neue Dimension zu verleihen.
Der arkonidische Historiker und imperiale Archivar Hemmar Ta-Khalloup schrieb hierzu in Jahre der Krise, Betrachtungen zum beginnenden 20. Jahrtausend überaus treffend: ... scheiterten Versuche der Terraner, das Monster namens Krieg zu bändigen, im Verlauf der Jahrhunderte mit erschreckender Regelmäßigkeit, wie Imperator Gonozal VIII. leidgeprüft zu bestätigen weiß. Expansive Bestrebungen verschiedenster Staaten – verkörpert durch ihre politischen und religiösen Führer –, der grundsätzliche Hang zur gewaltsamen Konfliktlösung und scheinbar unüberwindbares Mißtrauen weckten wiederholt die Schlafende Bestie, und parallel zur wissenschaftlich-technischen Entwicklung steigerte sich das erschreckende Potential der Auswirkungen.
Spätestens der sogenannte Erste Weltkrieg führte auf Terra den Beweis, daß Auseinandersetzungen dieser Art in keinem Verhältnis zum erzielbaren Gewinn stehen; die Schäden auf allen Seiten waren immens, die Opfer schrecklich groß. Im Zweiten Weltkrieg wurde die für die damaligen Menschen kaum vorstellbare Steigerung des Entsetzens erreicht, indem Bomber ihre tödliche Last »abregnen« ließen und die Zahl der Verluste – vor allem der Zivilisten – proportional steigerten.
Und doch war das nicht das Ende: Mit dem Abwurf der ersten Atombombe wurde das eigentliche Monster sichtbar – später verharmlosend »atomare Bedrohung« genannt, obwohl seine Weckung eine weltweite Katastrophe bedeutet hätte.
Die galaktische Geschichte zeigt, daß sogar diese schreckliche Schwelle überschritten wird: Niemand hat die ausgelöschten Zivilisationen gezählt – aber sogar das erscheint harmlos gegenüber dem Großen Galaktischen Krieg, der, glaubt man den Galaktischen Legenden, vor sehr langer Zeit geführt wurde. Von einem Lerneffekt kann leider nicht gesprochen werden. Im Vergleich zum Großen Galaktischen Krieg muten andere »Auseinandersetzungen« vielleicht wie Geplänkel an – ein Beispiel war jene mit den Druuf aus dem Roten Universum einer anderen Zeitebene –, doch daß sie überhaupt stattfinden, deprimiert den unvoreingenommenen Beobachter zutiefst. Und das Erschütternde dabei ist, daß auch für die Zukunft keine Änderung erwartet werden kann ...
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob – neben der grundsätzlichen Vermeidung von Krieg an sich als höchstes Ziel – nicht zumindest die katastrophalen Auswirkungen und Verluste insoweit reduziert werden könnten, wenn sich die Beteiligten auf ein Vorgehen einigen, das die Auseinandersetzung auf einen »überschaubaren Rahmen« beschränkt.
In hochtechnisierten Gesellschaften und Zivilisationen, die das Gewaltmonopol staatlichen Institutionen zugeordnet haben, mutet es häufig archaisch oder gar barbarisch an, wenn Dinge wie Duell, Formen des individuellen Zweikampfes oder gar Entscheidungen auf der Basis eines solchen »Gottesurteils« ins Gespräch gebracht werden – obwohl selbst diese Zivilisationen als Ganzes nicht davor zurückschrecken, ihre Soldaten in den Krieg zu schicken, dessen Folgen wohl als noch »barbarischer« anzusehen sind.
Vor diesem Hintergrund stellt sich also die durchaus ernsthafte Frage, was unter dem Strich »erträglicher« ist – sofern überhaupt eine Gewichtung bei dieser Thematik getroffen werden kann: durch Ritualisierung und Regeln sanktionierte Duell- und Kampfformen im Kleinen, von argusäugigen Schiedrichtern und/oder unbestechlichen Rechnern überwacht, oder aber der Krieg zwischen Welten, Sternenreichen oder gar ganzen Galaxien? Denn was bei einer solchen Auseinandersetzung herauskommen kann, steht den Bewohnern des Landes Dommrath als Fanal stets vor Augen – die leuchtenden Reste der benachbarten Galaxie Kohagen-Pasmereix.
Irgendwie erscheint da einem das kleinere Übel lieber, getreu dem Motto: Wer sich den Schädel einschlagen will, kann es in einer entsprechenden Arena tun, unter dem gestrengen Blick der Zuschauer. Oder, anders formuliert, der uralte Traum des einfachen Soldaten wird in die Tat umgesetzt: Sperrt die Befehlshaber und Verantwortlichen in einen Käfig – wir schauen zu, lachen uns ins Fäustchen und schließen Wetten auf den Sieger ab ...
Ein friedliches, ohne all diese Auswüchse auskommendes Miteinander ist natürlich in jedem Fall vorzuziehen, doch wenn es schon nicht geht, sollte wohl eine Minimierung der Folgen und Konsequenzen oberstes Ziel sein. Ob das die Überlegungen und Gedanken des Anführers der Außenland-Kolonisten waren, wird wohl eine unbeantwortete Frage bleiben, schließlich war das Vorgehen dieser Gruppe keineswegs von Rücksicht geprägt, wie das Beispiel des zerstörten Planeten Couxhal überaus deutlich machte.
Oder hat Rembatta-O-E die ominösen Ritter von Dommrath und die Schiffe der Legion in seinem Kalkül berücksichtigt? Ihrem massierten Auftreten hätten selbst die Kolonisten von Außenland nichts Vergleichbares entgegenzusetzen, und es ist keineswegs sicher, ob die Ritter nach Couxhal eine weitere vernichtete Welt geduldet hätten – schließlich muß es schon verwundern, daß von ihrer Seite nicht schon im Falle der bedrohten Druidenwelt eingegriffen wurde.
Sollte das Gewährenlassen gar ein mahnendes Beispiel sein? Um den Völkern im Land Dommrath klar vor Augen zu führen, wohin ihre Bestrebungen nach allgemeiner, eigenständiger Raumfahrt führen werden? Träfe dies zu, bekäme die angeblich so vorbildliche Moral der Ritter einen tüchtigen Knacks ...
Rainer Castor