PERRY-RHODAN-Kommentar 2080


ROI DANTON


»Der Schatten des Über-Perry hält mich im Griff, mein ganzes Leben lang. Nie konnte ich dir und deinen unendlich hohen moralischen Ansprüchen entkommen. Teufel noch mal, merkst du nicht, wie sehr du mich erdrückst – schon durch deine pure Existenz? Es gab nur eine Zeit, in der ich mich richtig wohl gefühlt habe: damals, als ich zu Roi Danton wurde und König der Freihändler war. Manchmal wünsche ich, ich hätte im Enemy-System wirklich den Tod gefunden! Dieser verdammte Zeitsprung hat mich tausend Jahre in die Zukunft befördert, alle meine Bekannten waren längst tot; Krausnase ebenso wie Ma und all die anderen … Nur du, du warst immer noch Großadministrator!«

Diese Sätze sagte Michael Reginald Rhodan während seiner langen Rekonvaleszenz, die der Beseitigung von Shabazzas völlig dezentralisiertem Konditionierungschip in rund 3,3 Millionen kleinste Fragmente folgte, zu seinem Vater. Gucky und Icho Tolot hatten Mike am 28. Dezember 1290 NGZ nach Mimas gebracht: In seinem von Shabazza beeinflußten Wahn hielt er sich damals immer noch für »Torric, den Herrn der Zeiten«.

Ein kompliziertes Verfahren, das ihn bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit seines Zellaktivators belastete und ihn fast umbrachte, konnte die Biokomponenten der Chipteilchen abtöten. Fast sieben Jahre hatte Rhodans Sohn im Regenerationstank verbringen müssen, bis sichergestellt war, daß sämtliche Chip-Reste wirklich komplett beseitigt waren. Zwar nicht mehr beeinflußt und körperlich zunehmend wiederhergestellt, bestand das psychische Trauma fort: Zweihundert Jahre hatte Mike als Torric gelebt, war zu einem eiskalten Tyrannen geworden, der ohne Skrupel über Leichen ging, nur um das von Shabazza programmierte Ziel zu erreichen, die Erweckung und Befreiung Jii’Nevevers.

Als »geheilt« entlassen, setzte sich Mike von Mimas ab, trat in die USO ein, erhielt den Rang eines Majors und nennt sich seither wieder Roi Danton ...

Geboren wurde er am 16. August 2405 in Terrania als Sohn von Perry Rhodan und Mory Abro; seine wenige Minuten ältere Zwillingsschwester war Suzan Betty Rhodan, sein Patenonkel Reginald Bull. Nach Abschluß seiner Ausbildung in Kosmonautik und Hochenergie-Maschinenbau verschwand Mike, einen Abschiedsbrief an seinen Vater zurücklassend, im Juni 2429 spurlos aus dem Lebenskreis Perry Rhodans, um aus eigener Kraft zu einer eigenen Identität zu finden.

Bald machte der Freihändler-König Roi Danton, der die Rolle eines Adeligen aus dem französischen Rokoko verkörperte, von sich reden; geziert und tänzelnd in den Bewegungen, übertrieben geistreich spöttelnd in der Sprache, ein Stutzer par excellence. Seine Bekleidung bestand aus samtenen Kniehosen, Rüschenhemd, mit Juwelen besetzten Schnallenschuhen, Dreispitz, altmodischen Perkussionspistolen und einem Kavaliersdegen.

Danton war zweifellos die bemerkenswerteste Persönlichkeit unter den Freifahrern. Während Kaiser Lovely Boscyk nur bei Repräsentationsaufgaben in Erscheinung trat, fungierte der Freifahrer-König als »Befehlshaber«. Er wurde zu einer der schillerndsten Figuren auf der galaktischen Bühne in der Krisenzeit von OLD MAN, Zweitkonditionierten und Dolan-Angriffen, bis im Herbst 2437 aufgrund einer Indiskretion des USO-Spezialisten Melbar Kasom in der Solaren Flotte bekannt wurde, daß Danton Rhodans Sohn Michael war.

Zu den Freihändlern gestoßen, hatte er sich in deren Organisation hochgearbeitet – durch Intelligenz, die immensen Geldsummen, die ihm Suzan über ihre sechs plophosischen Großbanken zur Verfügung stellte, und nicht zuletzt durch die technischen Errungenschaften und »Neuentwicklungen« seines Schwagers Geoffry Abel Waringer, die dieser vom Planeten Last Hope aus lieferte.

Danton sorgte dafür, daß sich die Freifahrer strenge Gesetze gaben, die die Anständigkeit ihrer Geschäfte und Toleranz gegenüber anderen Völkern garantierten. 2437 wiesen die »liebenswerten Schurken« nach, daß sie über eine Flotte von etwa 7500 bewaffneten Handelsraumschiffen modernster Bauart verfügten. Sie waren zu einer unübersehbaren Wirtschaftsmacht in der Milchstraße geworden.

Bei einem Einsatz im Enemy-System der Uleb kam Roi Danton am 4. Oktober 2437 angeblich ums Leben. Tatsächlich konnte er im letzten Moment, als sich die Sonne Enemy schon zur Nova entwickelt hatte, von einem Gurrad zu einer von den Uleb zu Versuchszwecken gebauten Zeitmaschine gebracht werden. Danton wurde in die Vergangenheit gerissen, gelangte auf den Saturnmond Titan und begegnete dort Merkosh, der auf ähnliche Weise hierher verschlagen worden war. Eine 3434 unternommene Zeitreise mit dem Nullzeit-Deformator führte zur Entdeckung und Rettung der beiden, und Danton übersprang durch seine Rückkehr in die damalige Gegenwart 997 Jahre.

Interessant hierbei ist, daß sich sein Bericht hinsichtlich der Ereignisse auf dem Atlas-Trabanten Uleb I sehr von jenen Aussagen unterschieden, die die Besatzung des Paladin-Roboters und Major Eril Shukento abgegeben hatten: Während Danton davon sprach, einen Volltreffer erhalten zu haben, der vom Schutzschirm seines Anzugs nicht vollständig absorbiert wurde, beobachtete der Major aus nächster Nähe die Schüsse von drei Intervallstrahlern, die Dantons ungeschützten Körper trafen. Mehr noch: Er drehte eigenhändig den offensichtlich toten Danton herum und starrte in dessen blicklose Augen!

Aussage steht gegen Aussage. Weil jedoch niemand weiß, welche Hyperkräfte die sich zur Nova aufblähende Sonne damals entfaltete oder welche »Einflüsse« sonst noch wirkten, kann es durchaus sein, daß wirklich ein Roi Dantan starb, während sein »parareales Double« weiterlebte ...

Später bekam der Überlebende jedenfalls den Zellaktivator des von Ribald Corello ermordeten Iwan Iwanowitsch Goratschin und erlangte somit die relative Unsterblichkeit.

Rainer Castor