PERRY-RHODAN-Kommentar 2116


MESSERWERFER AUF DER BRÜCKE ...


Es ist schon eine ganze Weile her, dass wir erstmals von der Brücke in die Unendlichkeit erfuhren. Zwar sind inzwischen ein paar Informationen hinzugekommen, aber die grundsätzlichen Fragen und Rätsel dieses »Gebildes« bleiben weiterhin bestehen – sofern sie sich nicht sogar mit jedem hinzukommenden Puzzleteilchen noch vergrößern.

Angeblich durchzieht sie das ganze Universum, berührt Zeit und Raum; die »Koalition Thoregon« kennt zwar nur rund zwanzig Ausgänge der Brücke, und das »Prototor« endet beim Mega-Dom im PULS von DaGlausch. Doch wenn wir die so genannten Fernen Tore berücksichtigen, welche die Thoregon-Boten suchen sollten, sowie die Mega-Dome in der NACHT und bei der Riesensonne Mattane im Land Dommrath, wird deutlich, wie wenig wir wirklich über dieses Gebilde wissen.

Von dem Konquestor Trah Rogue war nun bei dessen Propagandavorführung in der Solaren Residenz zu erfahren, dass das Reich Tradom sich schon seit langem bemüht habe, Verbindung zu den Terranern aufzunehmen. Alle Kundschafter und Pioniere, die das Reich über die Brücke in die Unendlichkeit ausgeschickt hatte, seien gescheitert und den unkalkulierbaren Gefahren der Brücke zum Opfer gefallen, so dass es zu keinem echten Kontakt gekommen sei. Hinzugefügt wurde, dass die Brücke aus Gründen, die auch von den Wissenschaftlern des Reiches noch untersucht werden müssten, seit einigen Jahren nicht mehr passierbar sei.

Dennoch sei es den »überragenden Wissenschaftlern des Reiches Tradom gelungen, die Koordinaten-Einstellungen des Brückenabschnitts zu ermitteln, der in die Galaxien des jungen und so beklagenswert schutzlosen Thoregon führte«, dem die Terraner angehörten. Daraufhin seien leistungsfähige Fernraumschiffe ausgeschickt worden und hätten die sechs Galaxien eingehend untersucht ...

Tief durchatmen! Was der Konquestor da mit ein paar Sätzen hingeworfen hat, birgt abseits des übrigen Propagandagetöses einiges an Sprengstoff. Man mag ja sonst nicht viel von seinen Aussagen halten, noch weniger von ihm selbst. Aber hinsichtlich der Brücke hat er ganz unzweifelhaft »Insider-Infos« auf den Tisch gelegt, die in einigen Punkten sogar deutlich über das bisher Bekannte hinausgehen!

Halten wir fest: Spätestens seit bekannt ist, dass es eine ganze Reihe von Thoregons gibt, und zwar solche von recht »unterschiedlicher Ausprägung« – um es einmal dezent zu formulieren –, ergibt der den Thoregon-Boten mitgegebene Auftrag, »nach Fernen Toren zu suchen«, deutlich mehr Sinn. Im Gegensatz zu den »Tradomern« ist beim DaGlausch-Thoregon jedoch niemand in der Lage, »Koordinaten-Einstellungen des Brückenabschnitts zu ermitteln«. Das setzt ein Wissen voraus, über das »unsere« Thoregon-Boten nicht verfügen. Wissen, das es unter Umständen auch erlaubt, die Brücke ohne Passantum zu betreten.

Und damit sind wir beim nächsten Punkt: »Kundschafter und Pioniere« auf der Brücke in die Unendlichkeit? Es braucht nicht zu verwundern, dass Rhodan sofort an das rätselhafte Skelett dachte, dessen Knochen zu einem gefährlichen Eigenleben erwacht waren – aber auch an die schwarze Stadt und riesige, Messer werfende Humanoide, die Kaif Chiriatha, die Galornin aus Plantagoo, getötet hatten: Die schwarze Stadt dort draußen, hinter einem unbekannten Pilzdom, erweckte in ihm eine furchtbare, klaustrophische Empfindung. Niemals zuvor hatte er diese Stadt gesehen und Kaif Chiriatha auch nicht. Die Türme ragten aneinander gedrängt in einen grauen, Wolken verhangenen Himmel, der an wenigen Stellen den Blick auf pfeilspitzenförmige Raumschiffe von beeindruckender Größe freigab. Die Schiffe mussten minimal zwei Kilometer groß sein ... (PR-Roman 1998)

Als Rhodan zuvor auf der Brücke das Skelett gefunden und die Attacke der »zum Leben erwachten« Knochen abgewehrt hatte, informierte ihn Moo, der Roboter seines blauen Galornenanzugs, über einige vergleichbare Ereignisse: Ce Rhioton, der damals der Zweite Bote von Thoregon war, berichtete einmal von einer Leiche, die ähnlich ausgesehen haben muss. Eine praktisch identische Geschichte ist von Ce Rhiotons Vorgänger Te Gethen überliefert, der ebenfalls einmal ein Zweiter Bote von Thoregon war. Damals müssen Fremde sogar bis in die Basaltebene von Galorn vorgedrungen sein. (PR-Roman 1965)

Das Vordringen von Fremden auf die Basaltebene kennen wir auch aus Foremons Sicht: ... betraten zum ersten und bis zur aktuellen Zeit letzten Mal Fremde die Ebene. Mit dem Ausdruck »Fremde« waren nicht autorisierte Personen gemeint. Sie kamen über die Brücke in die Unendlichkeit. Wie eine barbarische Horde brachen sie aus dem Pilzdom hervor; es waren mehrere Dutzend, und sie führten mit Thermowaffen untereinander einen Krieg, den Foremon nicht verstand. (...) Mit einer Welle aus Basalt verschloss er die beiden einzigen Ausgänge, so dass die Eindringlinge nicht entkommen konnten. Er morphte eine riesenhafte Woge, steckte alle Energie hinein, die er besaß – und ließ sie über den Kämpfenden zusammenbrechen. Die Fremden wurden im Basalt begraben (...)

Als er To Gethen berichtete – mehr als fünf planetare Jahre später –, zeigte sich der Zweite Bote sehr erstaunt. Foremon musste ihm die Schlucht zeigen und die Woge beiseite morphen. Er brauchte einige Tage dazu, weil er mit großer Sorgfalt arbeitete. Darunter kamen die halb verwesten, halb versteinerten Leichen zum Vorschein. To Gethen untersuchte sie sorgfältig, dann nahm er seine Waffe und zerstrahlte sie. Der ewige Wächter blieb ohne Erklärung in seiner Ebene zurück. Ob er richtig oder falsch gehandelt hatte, das erfuhr er nie ... (PR-Roman 1814)

Kann es sein, dass wir die rätselhaften Fremden und Messerwerfer nun gefunden haben, die als tödlich gefährliche, unberechenbare Instanz im Reich Tradom gelten?

Rainer Castor