PERRY-RHODAN-Kommentar 2168


PROJEKT FINSTERNIS?


Roxo Quatron und seinen Jankaron gegenüber bezeichneten sich die Eltanen als die Verfolgtesten der Verfolgten, aber auch als die Anwälte der Völker von Tradom. Andererseits sah es so aus, als fahnde selbst das Reich Tradom seit Jahrtausenden vergeblich nach ihnen. Sie behaupteten, dass sie jenes offenbar nur noch im Untergrund existente Volk seien, das als einziges Widerstand gegen die Herrschaft der Inquisition der Vernunft leistet. Roxo und seine Leute erhielten den CoJito-Planetenjäger und drangen durch das Sternenfenster zur Milchstraße vor, während die Eltanen an Bord ihres Würfelraumers dafür sorgten, dass das Fenster nur noch einseitig passierbar war.

Inzwischen wissen wir etwas mehr über die Eltanen. Mag das gewonnene Bild auch etwas zwiespältig und ihre Aussagen den Jankaron gegenüber als »nicht die ganze Wahrheit« einzustufen sein, so muss dennoch festgehalten und klar unterstrichen werden, dass es in der Milchstraße ohne die Hilfe der Eltanen derzeit wohl ganz anders aussehen würde. Sie waren es, die mit der Blockierung einerseits und dem Paradim-Panzerbrecher andererseits den Galaktikern die notwendige »Luft« verschafften und – nebenbei – ihren Einsatz mit dem Tod bezahlten: Das Reich Tradom vernichtete den Würfelraumer am vereinbarten Treffpunkt.

Die Eltanen stellen mit der in eine Halbraumblase von drei Millionen Kilometer Durchmesser eingebetteten Letzten Stadt die Basis für das Trümmerimperium. Das Innere dieser Hohlblase ist ein Stück normalen Weltalls, begrenzt vom rötlichen, von dunkeln Schlieren durchzogenen optischen Eindruck des schützenden Halbraumfelds. Im exakten Zentrum befindet sich der gelblich leuchtende Stern Kita, der jedoch keine echte Sonne ist, sondern angeblich eine der letzten Großtaten der Eltanenzivilisation, bevor sie auf eine unbekannte Weise in Tradom beinahe vollständig ausgelöscht wurde. Der Stern Kita ist in Wahrheit eine Schmerzwechte, von denen es etwa eine Viertelmillion in Tradom geben soll.

Auf eine heute unbekannte Weise muss es den Eltanen vor langer Zeit gelungen sein, die Schmerzwechte »einzufangen« und in der Halbraumblase stationär zu »verankern«. Soweit man in der Letzten Stadt weiß, ist es sonst zu keiner Zeit und an keinem Ort in ganz Tradom gelungen, eine Schmerzwechte in ihrem Kurs zu beeinflussen, geschweige denn einzufangen und zu verankern. Die heutigen Eltanen selbst wären definitiv nicht in der Lage, eine solche Tat zu vollbringen. Sie nehmen nämlich, wie der Aufenthalt in der Letzten Stadt gezeigt hat, bei weitem nicht die bedeutende Stellung ein, die sie sich selbst zuschreiben, weil zum Beispiel die Letzte Stadt offensichtlich noch auf die Vaianischen Ingenieure der Thatrix-Zivilisation zurückgeht.

Fest steht, dass Kita der einzige Weg ist, in die schützende Halbraumblase einzudringen sowie wieder hinauszugelangen. Die modifizierte Schmerzwechte ist die Lebensversicherung für die Eltanen und die Mitglieder des Trümmerimperiums, denn ohne sie hätte die Inquisition der Vernunft die Letzte Stadt lange schon entdeckt und ganz ohne Zweifel vernichtet.

Einst haben in der Letzten Stadt vielleicht um die 100.000 Eltanen gewohnt, heute sind es nur noch rund 3000, die ein eher gemächliches, von wenig Initiative erfülltes Leben führen, in dem die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Vorhandensein einer göttlichen Planung im Universum die wichtigste Frage darzustellen scheint. Nur wenige Eltanen bäumen sich gegen das drohende Schicksal auf, gegen das Aussterben ihres Volks, gegen die furchtbare Herrschaft der Inquisition der Vernunft in ihrer Heimat Tradom. Allen voran Troym LeCaro, das am 4. Januar 1312 NGZ geborene Oberhaupt, dem bei der Rokenna, der »Zeremonie der Geburt«, das Wissen der anwesenden Eltanen und ihre Weisheit in einem quasitelepathischen Vorgang übertragen wurde.

Troyms Hilfe und Unterstützung haben sich schon mehrfach als wertvoll erwiesen – ohne den »Bauplan« der Fensterstation hätte beispielsweise weder der Datensatz des Paradim-Panzerbrechers in die Milchstraße übermittelt, noch hätten später die Fensterstationen erobert werden können. Aber auch dem jungen Oberhaupt der Eltanen ist nicht bekannt, welche Aufgabe das letzte Würfelschiff hat, denn die TEFANI ist in geheimer Mission unterwegs. Sie ist noch vor Troyms Geburt gestartet, mit all jenen an Bord, die über sie und ihre Aufgabe informiert waren, so dass ihm bei der Rokenna in dieser Hinsicht keine Informationen übermittelt wurden.

Bekannt ist ihm nur, dass das unter dem Decknamen Projekt Finsternis laufende Vorhaben die letzte Hoffnung der darüber informierten Eltanen sein soll. Umso aufgeregter ist Troym LeCaro natürlich, als von der TEFANI aus dem Oika-System im Sektor Arfeval, 76.112 Lichtjahre vom Sternenfenster entfernt, ein Hilferuf eingeht und das Schlimmste befürchten lässt. Zunächst sieht es dann so aus, als seien die LEIF ERIKSSON, die KARRIBO und ihre Begleitschiffe quasi im letzten Augenblick eingetroffen, und es wird alles getan, um die drohende Vernichtung des Würfelraumers zu verhindern.

... aber auf die Galaktiker wartet eine böse Überraschung: Die Eltanen wollen durch eine Zeitreise die Vernichtung der Thatrix-Zivilisation und somit auch rund 160.000 Jahre Geschichte ungeschehen machen und sind bereit, mit einem Zeitparadoxon die Gegenwart opfern! Genau das ist offensichtlich das Ziel des Projekts Finsternis, und es bedarf schon wirklich großer Verzweiflung, ein solches Vorhaben überhaupt in Erwägung zu ziehen.

Anmaßung? Hybris? Oder angesichts der Tyrannei des Reichs Tradom eine zu verstehende, wenngleich nicht zwangsläufig zu akzeptierende Möglichkeit als ultima ratio? Wie auch immer – ihr Ziel haben die Eltanen beileibe noch nicht erreicht, denn terranische Erfahrungen mit Zeitreisen zeigen, dass der »natürliche Widerstand« gegen solcherart Eingriffe nicht so ohne weiteres überwunden wird ...

Rainer Castor