PERRY-RHODAN-Kommentar 2170


DIE SCHLEIER HEBEN SICH


Sicherlich verwundert es niemanden, dass mit den neuen Informationen über die Thatrix-Zivilisation vieles schon Bekannte Erwähnung findet, getreu der uralten Aussage, dass in jeder Legende ein Körnchen Wahrheit steckt. Ebenso wenig verwunderlich ist, dass vieles geradezu ins Gegenteil verkehrt, völlig entstellt oder ganz anders ist. Noch befinden wir uns im Stadium des Sammelns der Informationen, aber schon jetzt kann festgehalten werden, dass es höchst interessant sein wird, herauszufinden und zu rekonstruieren, wie der Übergang von der Thatrix-Zivilisation hin zum Reich Tradom des Jahres 1312 NGZ samt den damit verbundenen Veränderungen stattgefunden hat.

Auf den ersten Blick scheint die Thatrixdruum, die Gesamtheit aller Planeten und Völker des Reiches der Güte und des Glücks, ihren Namen durchaus zu Recht zu tragen. Vor dem Hintergrund eines acht Galaxien umspannenden Staatsgebildes, das Abermillionen Welten und Zehntausende oder mehr Völker umfasst, muss allein schon unter dem Blickwinkel der Größe und Ausdehnung festgehalten werden, dass für etliche Jahrtausende ein bemerkenswert optimales Ergebnis erreicht wurde. Berücksichtigen wir die permanenten Wechselwirkungen und höchst komplexen Verflechtungen, kann von einem ;Endzustand+ ohnehin nicht gesprochen werden, weil es stets Anpassungen gibt und geben muss. Ein Reich wie die Thatrixdruum ist niemals statisch.

Dass es selbst unter weitgehend optimalen Bedingungen Probleme, Unzufriedene und im Untergrund brodelnde Gegenkräfte gibt, die das Erreichte in Frage stellen oder gar ins Gegenteil verkehren wollen, dass also nicht alles Gold ist, was glänzt, liegt in der Natur der Sache. Die Frage ist vielmehr, wie mit den Problemen umgegangen wird und ob sie überhaupt als solche erkannt werden. Werden sie ignoriert oder als irrelevant abgetan, schaukeln sich mitunter selbst Kleinigkeiten in Größenordnungen auf, die dann ein wirkliches Problem darstellen. Aus dem bisherigen Bericht Anguela Kulalins geht hervor, dass es durchaus erkennbare Risse gab, die einiges an Sprengstoff bloßlegten.

Es gab etliche Stellen, an denen der Glanz zumindest bröckelte: Sei es die Zurückgezogenheit der Superintelligenz VAIA  die acht Galaxien der Thatrixdruum waren vormals ihre Mächtigkeitsballung, welche dann zum VAIA-Thoregon wurde , seien es die Aktivitäten der Tonkihn als ewig lächelnde, jedoch zwielichtige Emotio-Händler, die des ebenso genialen wie eigenbrötlerischen Vaianischen Ingenieurs Rintacha Sahin, die der Genetiker von Kaaf und den aus ihnen hervorgegangenen, vielgestaltig angepassten insektoiden Quintanen, die im Schatten der VaiaKataan stehenden DhyrabaKatabe oder das ständig aktuelle Valenter-Problem, die als Soldaten in der Tha-Dar Jardalav genannten ;Epoche der Kriege+ ohne Zweifel wertvolle Dienste leisteten, mit dem dann erreichten Frieden aber offensichtlich Schwierigkeiten haben ...

Aus den bislang gewonnenen Informationen lässt sich leider noch nicht absehen, wie es nun zu jener Entwicklung kam, als deren Ergebnis das Reich Tradom mit der tyrannischen Herrschaft der Inquisition der Vernunft entstand, das wir aus dem Jahr 1312 NGZ kennen. In dem geschilderten Zeitraum hatte noch das rund neun Milliarden Individuen umfassende Lichtvolk, von denen 15 bis 20 Prozent als Vaianische Ingenieure in Erscheinung traten, ohne Zweifel die Führungsfunktion inne. Gerüchte besagten, dass die Guyaam und die Vaianischen Ingenieure, aber auch die Tonkihn Nachkommen jener weitgehend vergessenen Wesen seien, die sich Qevayaan nannten und aus denen angeblich durch Vergeistigung die Superintelligenz VAIA hervorging.

Dass wir es mit einer Wesenheit namens VAIA und nicht mit ;Anguela+ zu tun haben, dürfte zu den wirklichen Überraschungen gehören  und es stellt sich die noch unbeantwortete Frage, wie aus dem ;Lichtlos Geborenen+ das wurde, was in der Gegenwart mit diesem Begriff verbunden wird, nämlich eine ;gottähnliche, alles beschützende gute Macht+, die ;alles sieht und für die Lebewesen von Tradom sorgt+. Die Entstehungsgeschichte des VAIA-Thoregons dagegen scheint in bekannten Bahnen verlaufen zu sein: Kontakt mit Helioten, Eingriff der Kosmokraten, ein abgeschlossener Vertrag und die Stabilisierung des PULSES, begleitet von einem ;Jahrtausend der Kriege+.

Die Vorkehrungen trugen jedoch Früchte, so dass die Sterneninseln des VAIA-Thoregons frei blieben, von VAIA nach ihrer Rückkehr wieder übernommen werden konnten und sich mit dem Ende der Tha-Dar Jardalav die mehr als 14.000 Erdjahre umfassende Blütezeit der Thatrixdruum anschloss. Dass man dem Frieden dennoch nicht so richtig zu trauen scheint, belegen die Kontrollflüge in der Galaxis Aul Eimanx, die seinerzeit den Kosmokratentruppen als Aufmarschgebiet diente und sich im ;Limbus+-Bereich zur früheren MYR-Mächtigkeitsballung und dem späterem MYR-Thoregon befindet.

Ob die eher vagen Hintergrundinformationen, die VAIA ihren Verkündern zur Verfügung stellt, dem gemeinsamen Ziel förderlich sind, muss derzeit offen bleiben. Der jeweilige Dhasaren verbreitet jedenfalls ;das Wort der Heiligen Mutter VAIA+, ist der oberste Repräsentant der Superintelligenz und in ihrem Sinne handelnder ;Hochrang-Bevollmächtigter+ der Thatrix-Zivilisation als Ganzes.

Die globale Ebene der Thatrixdruum ist von jener der Entscheidungsbefugnisse der autonomen Einzelsektoren und Lokalen Systeme klar zu unterscheiden. Der Verkünder ist zwar Kontaktperson zu VAIA und Oberkommandierender der mit Abstand größten militärischen Macht in Form der AGLAZAR-Schlachtschiffe, doch es handelt sich bei ihm nicht um einen absolutistischen Herrscher! Er wie sein direkter Stellvertreter sowie die zwanzig Thatrix-Minister sind der Vollversammlung in der Sphärenstadt der Diplomaten verantwortlich, die Parlamentsfunktion hat.

Rainer Castor