PERRY-RHODAN-Kommentar 2377


MAURITS CORNELIS ESCHER


Das Lesen von Fachliteratur, sofern dies für einen mathematisch ungebildeten Menschen möglich ist, und besonders die Aufstellung einer eigenen Laientheorie, die mich zwang, die Möglichkeiten zu überdenken, hat das Entwerfen neuer Motive zwar allmählich etwas weniger schwer als zu Anfang gemacht, aber es bleibt doch trotzdem eine äußerst anstrengende Beschäftigung, besser eine »Manie«, welche bei mir zur Sucht wurde und derer ich mich nur manchmal mit Mühe entreißen kann. M. C. Escher, »Regelmatige vlakverdeling«, 1958

Obwohl nach eigener Aussage mathematisch ungebildet, gelang es dem niederländischen Grafiker Maurits Cornelis Escher in seinem künstlerischen Werk, abstrakte geometrische Ideen grafisch sehr ansprechend umzusetzen, so dass seine Bilder bei Mathematikern – allerdings nicht nur bei diesen – überaus bekannt und beliebt waren und sind.

Am 17. Juni 1898 als jüngster Sohn des Hydraulik-Ingenieurs Georg Arnold Escher in Leeuwarden geboren, wuchs er in gutsituierten Verhältnissen auf. Die großzügige Unterstützung seines Elternhauses und die eigene Beharrlichkeit ermöglichten es, dass sich seine Kunst entwickelte. Erst in den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurden seine Werke in Holland bekannt, 1951 sorgten Artikel in amerikanischen Zeitschriften für seinen weltweiten künstlerischen Durchbruch. Er starb am 27. März 1972 in Laren, Nordholland.

Ab 1937 schuf Escher – meist in Form von Holzschnitten, Holzstichen und Lithografien –mathematisch durchdachte »Gedankenbilder«, bei denen verschiedene Beobachtungsebenen in einer einzigen Raumperspektive vereint wurden, häufig in der Art von endlosen Mustern, die sich aus regelmäßigen Wiederholungen geometrischer Grundfiguren zusammensetzen. Für Escher waren stets zwei Aspekte interessant: räumliche Geometrie und räumliche Logik. Ein großer Teil der Grafiken beschäftigte sich deshalb mit den Möglichkeiten, eine Fläche mit unregelmäßig begrenzten Figuren zu füllen. Hinzu kamen jene, die sich spielerisch mit der Darstellung perspektivischer Unmöglichkeiten und optischer Täuschungen auseinandersetzten. Weitere Themen waren Möbiusbänder, Kristallformen, Spiegelungen, optischen Verzerrungen und Fraktale sowie die visuellen Aspekte der Topologie, eines Zweiges der Mathematik, der zu Eschers Lebzeiten besonders blühte.

Die Topologie beschäftigt sich hauptsächlich mit den Eigenschaften des Raumes, die unter Verzerrungen invariant sind und Objekte mit kuriosen Eigenschaften ergeben. Eins der bekanntesten Beispiel ist das Möbiusband – gekennzeichnet durch die Eigenschaft, dass es nur eine Seite und nur einen Rand hat. Escher benutzte diese Idee oft in seinen Kunstwerken – unter anderem in »Möbiusband II«, bei dem die dargestellten Ameisen alle auf der gleichen Seite des Bandes laufen.

Das von Roger Penrose beschriebene unmögliche Penrose-Dreieck, auch Tribar genannt, ist die zweidimensionale Darstellung eines dreidimensional unmöglichen Gegenstandes, geformt aus drei Stäben, die ein räumliches »Dreieck« mit drei rechten Winkeln bilden. Es ist die Grundlage des Escher-Bilds »Wasserfall«, das einen Wasserlauf zeigt, der sich vom Betrachter fortbewegt, dann links fließt, als ein Wasserfall nach unten fällt und dabei wieder an seinen eigenen Anfang anschließt. Was im zweidimensionalen Bild ohne weiteres zu funktionieren scheint, wäre in der Realität schlicht unmöglich, da das Wasser hierzu den Berg hinauffließen müsste. Zudem treibt der Wasserfall ein Wasserrad an und wird so zum Perpetuum mobile. Das Bild »Treppauf Treppab« zeigt eine auf ähnliche Weise konstruierte viereckige, endlose Treppe.

Das 1960 in einem Holzschnitt dargestellten Motiv »Kreislimit IV« ist die künstlerische Darstellung einer hyperbolischen Ebene. Hintergrund ist eine besondere Form nichteuklidischer Geometrie, die sogenannte hyperbolische Geometrie des französischen Mathematikers Henri Poincaré (1854 bis 1912). Dieser hatte das Modell entwickelt, bei dem eine unendliche Fläche innerhalb eines großen, aber begrenzten Kreises liegt.

Das Mittelfeld von »Kreislimit IV« weist eine komplexe Flächeneinteilung auf, in der Engel und Teufel als Figur und Hintergrund einander abwechseln: in der Bildmitte drei schwarze Teufel, daran schließen sich sechs weiße Engel, diese wiederum werden von zwölf schwarzen Teufeln verfolgt. Je weiter diese Figuren von der Mitte entfernt sind, umso kleiner werden sie, ohne jedoch das besondere Merkmal des lückenlosen Ineinandergreifens zu verlieren. Der Kreis schließt sich, wenn die Zahlenreihe solange verdoppelt wird bis scheinbar unendlich viele Teufel und Engel als schwarze und weiße Punkte herauskommen.

Rainer Castor