Als der bahnbrechende Kontakt mit den Arkoniden im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts A.D. zu einer Revolution der terranischen Technik führte, standen viele Wissenschaftler gleich modernen »Zauberlehrlingen« vor diesen fremden Gerätschaften und versuchten verzweifelt, die zum Einsatz kommenden Prinzipien zu verstehen. Neben vielen anderen technischen Problemen, die man damals hatte, war das Impulstriebwerk zur unterlichtschnellen Fortbewegung (all-gemein Sublichtphase genannt) eines der größten - gerade weil hier zunächst mit der Einstellung: »Das kennen wir ja«, herangegangen wurde.
Das »böse Erwachen« kam schnell: Man wunderte sich über die ungeheuer schubstarke Leistung der Triebwerke ebenso wie über die Verwendung vergleichsweise geringer Stützmassen als Antriebsmedium, die Art und Lagerung der Stützmassen, und man hatte überdies permanent Einsteins Formeln vor Augen, wenn es um die mehrmalige Beschleunigung und Abbremsung in hochrelativistische Bereiche nahe der Lichtgeschwindigkeit ging. Massenzuwachs, Zeitdilatation und dergleichen schienen unüberbrückbare Probleme zu sein und machten arkonidische Technik wie die Impulstriebwerke eigentlich unmöglich...
So bezeichnete arkonidische Fachterminologie die Wirkungsweise eines Impulstriebwerks als die Ausstoßung eines in hyperstrukturellen Energiefeldern gebändigten, eingeengten und gleichgerichteten Partikelstroms von höchster Dichte und absoluter Lichtgeschwindigkeit [PR 10] Die ausgestrahlten Impulse nannten die Arkoniden »Korpuskelwelle«, was in irdischen Fachkreisen einige Aufregung verursachte, denn niemand hätte schlüssig sagen können, was diese »Impulse« eigentlich waren, wie sie erzeugt wurden, und aus welchen energetischen Teilchen sie eigentlich bestanden. »Impulstriebwerk« und »Korpuskelwelle« waren Begriffe, die nur durch fünfdimensionale Mathematik rechnerisch erfaßt und beherrscht werden konnten - und da lag der »Hund begraben«, wie sich einer der staunenden Physiker unbestätigten Quellen zufolge geäußert hat, und weiter: »Die arkonidische Technik scheint geradezu krampfhaft bemüht zu sein, die auf der Erde geltenden Lehrsätze umzuwerfen und wissenschaftliche Unmöglichkeiten möglich zu machen.« [nach PR 10]
Ungeklärtes und daraus resultierende Neugierde waren aber schon immer antreibende Kräfte gewesen, und so begann die Forschung, unterstützt von den Hintergrundinformationen durch Hypnoschulungen, deren Nachteil an dieser Stelle offen zu Tage trat: Durch Hypnoschulung vermitteltes Wissen klärte zwar die Vorgänge und lieferte Baupläne, Verfahrenstechniken und Herstellungsparameter, brachte aber noch lange nicht das notwendige tiefere Verständnis! Am harmlosesten war hierbei noch die Art der »Betriebsmittel«, obgleich schon sie terranische Erkenntnisse auf den Kopf stellten:
1) Myon-katalysiertes Deuterium, dessen Initialtemperatur von nur ca. 3000 K eine »kalte Fusion« ermöglichte, hatte es »in sich« und nur wenig mit jenem zu tun, das auch die terranische Forschung entwickelt hatte: Im Frühjahr 1971 gelang es den USA, auf einem Pazifik-Eiland eine 100-Megatonnen-Fusionsbombe zu zünden, die auf dem Prinzip der kalten Kernverschmelzung basierte; es genügte ein rein chemischer Zünder mit einer Anregungstemperatur von nur 3865 °C, um die Kernreaktion einzuleiten [PR 3; hier ist noch von »mesischen Atomen« zur Katalyse die Rede - ein »Fehler«, der sich aus der Entstehungs-zeit des Romans ergibt: Die Myonen wurden wegen ihrer Masse zunächst zu den Mesonen gerechnet, dann aber als Leptonen erkannt, zu denen auch das Elektron gehört.].
Hintergrund: Myonische Atome sind instabile, exotische Atome, bei denen ein Myon das Elektron ersetzt hat; wegen des Masseunterschieds zwischen Elektron und Myon (mm = ca. 207 me) ist dieses System etwa 200mal fester gebunden als das Wasserstoffatom, d.h. sein Radius ist ca. 200mal kleiner und seine Bindungsenergie ca. 200mal größer. Die mittlere Lebensdauer entspricht dem des Myons (überwiegender Anteil in der sekundären kosmischen Strahlung) von ca. 2*10-6 s. Zur Herstellung »pseudostabilen« Myon-katalysierten Deuteriums dient ein Quintronenbeschuß bei einer Hyperfrequenz von 7,349*109 Hef unter gleichzeitiger Einlagerung in eine Semi-Manifestations-Enklave (sog. »unvollständige (Semi-)Transition«); dies hat den Vorteil, daß dieser »Kraftfeld-Tank« auch als »Preßfeld« genutzt werden kann, d.h. die Lagerung erfolgt mit einer Dichte von ca. 50 g/cm³ (1 kg entsprechen 20 cm³= 0,00002 m³
2) Wismut als zusätzliche Stützmasse (Metall der Ordnungszahl 83; Atomge-wicht 208,980; Schmelzpunkt 271 °C; Siedepunkt 1560 °C; Dichte bei 20 °C 9,747 g/cm³); die Lagerung erfolgte in Semi-Manifestations-Enklaven bei einer »Preßfeld-Dichte« von relativ 185 g/cm3 (1 m³ = 185000 kg = 185 t) [vgl. PR 250]. Zwar nicht unbedingt notwendig, dennoch nicht selten zur Leistungssteigerung verwendet wurde überdies Wismut, das mit Kyasoo-Hyperkristallen in Höhe von 0,85 % gezielt dotiert war (Kyasoo = hyperaktive Kristallform, deren konventionelles Siliziumdioxid-Raumgitter 1 bis max. 10 % »hyperenergetisch-pseudomaterielle« Konzentrationskerne als Einschlüsse aufwies, deren »Atomgewicht« nach Zufallsgesetzen zwischen 0 und 1024 schwankte). Im übrigen konnten die Impulskonverter, über die diese zusätzliche Stützmassen-Einleitung erfolgte, nahezu jede Materie »verdauen«, vorausgesetzt, ihr Schmelzpunkt lag nicht über 1650 °C [PR 60].
Von der Peripherie tasteten sich die Ingenieure dann zum Kern der Aggregate vor: Triebwerke wurden eingehend untersucht und ins kleinste Detail zerlegt. Zunächst fiel den Forschern stets ein Fusionsreaktor in die Hände, in dem der »kaltgezündete« Fusionsprozeß die Reaktion zum Entstehen der »Korpuskelwelle« einleitete. Hierbei fand Katalyse-Deuterium Verwendung, genau wie in den ausschließlich energieerzeugenden Fusionsreaktoren auch - leider hatte aber das, was als »Korpuskelwelle« des Impulsstrahls die Düse verließ, kaum noch Ähnlichkeit mit Deuteriumplasma respektive der zusätzlich eingespritzten Wismut-Stützmasse. Es mußte etwas zwischen Reaktor als »Eingang« und Düse als »Ausgang« geschehen, das diese Umwandlung bewirkte, und es hieß also den Prozeßablauf intensiv unter die Lupe zu nehmen.
Die in den Impulstriebwerken eingesetzten HHe-Meiler arbeiteten
im Gegensatz zu Energieerzeugern, soviel ergab sich aus ja schon
aus der Konstruktionsbeschreibung, nicht im geschlossenen
Kreislaufprozeß, sondern im sogenannten
Direktstrahlverfahren. Als Basisleistung dieser
Direktstrahl-Meiler galt je Triebwerk einer
60-Meter-Kaulquappe ein
Deuterium-Dauerausstoß von 100 Gramm pro Sekunde;
dies entsprach rund 1,5*1025
Fusionsprozessen (= 2,5*106 kWh). 80 %
der freigesetzten Energie (2*106 kWh)
wurden nach der Thermalumformung als Betriebsstrom
genutzt, hauptsächlich für die Impulskonverter
sowie die Nachfolge-Hyperfeld-Stufen einschließlich
der Düsenendfelder des Triebwerks.
Als Prozeßablauf (Abb. 1) ergab sich somit
folgendes Schema: Die »kalte« Fusionszündung
erfolgte im HHe-Meiler, das Plasma wurde zum Thermalumformer
geleitet und dann zum Impulskonverter; hier kam es zur mehrstufigen
Verdichtung, Gleichrichtung sowie der
»Strukturumformung« zum eigentlichen Impulsstrahl,
welcher dann durch die Felddüse austrat.
Jeder Student wußte, daß der Energiegehalt eines in den vierten Aggregatzustand übergehenden, kurz vor der Kernreaktion befindlichen Plasmas beachtlich war und bis maximal acht Tonnen pro Triebwerk und pro Sekunde als beherrschbar galt [PR 100]; der Linearflug gestattete aufgrund der besonderen Gesetzmäßigkeiten und der Wechselwirkung mit dem Halbraumfeld auch die vierfache Schubleistung (32 t pro Sekunde und Triebwerk) bei deutlich niedrigerer Reaktorleistung; später wurden in Sublichtphase ebenfalls höhere Werte erreicht [vgl. PR 250].
Das war es, was zunächst in die heißen Zonen der Triebwerke geleitet wurde. Noch vor der Einspritzung in den Impulskonverter des Triebwerks erfolgte die Bändigung des stark expandierenden Plasmas durch sogenannte Einengungs- und Kompressionsfelder: Das Plasma von hoher Strahldichte trat in den Kernprozeß ein, während Fessel- und Thermoschutz-Energiefelder als Überhitzungsabsorber und Schutz dienten und die Sonnenglut von den Wandungen abhielten. Beim Impulskonverter handelte es sich um ein meist zylindrisch geformtes Aggregat, unterteilt in mehrere Kammern, deren Inneres von gestaffelten Röhrenkraftfeldern erfüllt ist, welche hyperenergetischer Natur sind (sog. hypermechanische Strukturfelder) und von Projektoren erzeugt werden, die die Kammern als ringförmige »Spulen« sowie in linearer Anordnung umgeben.
Im Verlauf des Impulskonverters wurden die atomaren Gewalten einer Miniatursonne weiter gebündelt und die Bewegungsrichtungen der Teilchen, ähnlich kohärentem Licht beim Laser, perfekt gleichgerichtet. Auch diese Aufgabe übernahmen Kraftfelder, deren höhere Energiespeisung kräftigere Impulse bewirkte. Nun war es kein Plasma niederer Temperatur mehr, sondern die Höllenglut direkter Kernverschmelzung, eine planmäßig gesteuerte Mikrofusion auf engstem Raum mit einer konstanten, durch Kraftfelder gleichgerichteten Energieabstrahlung. Der Strahl war stark verdichtet, eingeengt, die Partikel und Strahlungsbestandteile gleichgerichtet und fast auf Lichtgeschwindigkeit hochbeschleunigt.
Erst die letzte Impulskonverterstufe, überleitend zu den Düsen, verließ der Strahl durch ein weiteres Strukturfeld von enger Röhrenform als »Korpuskel-welle«, die dann aus den nochmals einengenden und beschleunigenden Düsenfelder endgültig austrat; letztere waren insofern »beweglich«, weil sie in Richtung, Querschnitt und Form variabel projiziert werden konnten, d.h. es war sogar eine perfekte Schubumkehr bei starr eingebauter Düse möglich! Im Gegensatz zu den Arkoniden gingen die Terraner aus sicherheits-redundanten Überlegungen häufig zu einer doppelten Auslegung der Düsen über, weil mit steigender Entfernung von der Düsenmündung einerseits die Feldliniendichte der Umlenkfelder rasch abnahm (1/r³
Abhängigkeit!) und es sich andererseits als
technisch günstiger erwies, die Schubumkehr innerhalb des
Ringwulstes in einer Kugelkammer vorzunehmen (Teil eines
hydraulisch bewegten Zylinders, der gleichzeitig als Verschlußbolzen und Schubumkehreinheit
fungierte, sog. Logman-Prinzip - Abb. 2:
Ringwulstausschnitt einer Korvette).
Die Impulstriebwerke wurden eingesetzt, zunächst von den
Arkoniden, dann von den Terranern; sie waren erprobt und
zuverlässig. Man wußte, wie das Triebwerk aufgebaut war
und was in ihm rein technisch gesehen ablief. Practicus
war dem Theoreticus überlegen, getreu Wilhelm Buschs
Ausspruch:
»Was ist Theorie? Wenn's klappen soll und klappt doch nie. Was ist Praxis? - Frag nicht dumm: Wenn's klappt und keiner weiß warum.«
Man wußte, daß durch das Hyperfeld der
letzten Impulskonverter-Stufe die strukturelle Umformung
von Mikrofusion und Plasma zur Korpuskelwelle/Impulsstrahl
vorgenommen wurde: Fünfdimensionale Mathematik machte den
Vorgang erfaßbar und beherrschbar - aber die Anschaulichkeit
war nicht gegeben. Obwohl der Bau solcher Impulstriebwerke kein
Problem bereitete, blieb das Verständnis-Problem:
Weshalb konnte der Impulsstrahl der Korpuskelwelle selbst bei
geringem Stützmassenverbrauch ein Raumschiff nahezu auf
Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und auch wieder abbremsen, ohne
daß die Problematik Einsteinscher Formeln auftrat, nach denen
schon nach einer einzigen Beschleunigung auf
»Fast-Lichtgeschwindigkeit« ein Großteil
der Raumschiff-Eigenmasse aufgebraucht sein mußte?
Abbildung 2
a) Verschlußzustand: Umlenk- und Düsenfelder
desaktiviert, Zufuhr vom Impulskonverter geschlossen,
Verschlußbolzen-Hydraulik ausgefahren (Pfeile markieren
Rückstell-Bewegungsrichtung), Bolzen arretiert.
b) Aktiv-Modus: Kugelkammer-Umlenkfelder aktiv,
Düsenfelder aktiv, Verschlußbolzen-Hydraulik
eingefahren, Bolzen arretiert. Zufuhr vom Impulskonverter offen,
Obere Düse arbeitet.